Björnståhl journeyed through Europe on his way to and from Itay in the years 1770-1773. The letters he wrote during this voyage were published in Swedish, with German and Italian versions following shortly thereafter.The German edition is entitled: Briefe seinen ausländischen Reisen an den Königlichen Bibliothekar C. C. Gjörwell in Stockholm. Aus dem Schwedischen übersetzt von Just. Ernst. Groskurd, (Leipzig und Rostock, bey Johann Christian Koppe, 1780-1783).
A serious Oriental scholar in his own right, as preceptor of the Rudbeck family, Björnståhl was travelling in the company of his two young charges. His letters here reflect
- anticipation of the visit to Ferney and fear of not being admitted to see Voltaire; also, an explanation of Voltaire's activities as builder of the village of Ferney; written from Paris
- the initial visit to Ferney in 1770: extended conversation with Voltaire, a description of the village, a portrait of Voltaire, a report on his latest activities and a description of the medallion in Voltaire's honor by Wäechter; written from Geneva
- the return visit to Ferney in 1773 after extended travels in Italy; we have excerpted parts of the description of the garden and château; written from Geneva
Herr von Voltaire fängt nun an, täglich eingezogener zu leben,
sein Alter macht, daß aller Zugang zu ihm nicht wenig schwer wird.
Viele sind nach Ferney gereiset, um ihn zu sehen, haben aber
unverrichteter Sachen wieder abreisen müssen; mir kann es
vielleicht eben so gehen. Einer meiner hiesigen Pariser Freunde hat
an einen Nachbarn und vertrauten Freund des Herrn von Voltaire geschrieben,
und ihn gebeten, vorläufig mit ihm zu reden, damit ich nicht drum
kommen, ihn zu sehen, denn ich bin äusserst begierig, diesen Gegner
des Herrn Rousseau kennen zu lernen. Er bekam neulich eine Antwort,
die den Ausfall ziemlich zweifelhaft macht. Unter andern schreibt er so:
Nachher besahe ich zugleich mit Hrn. Rudbeck die Kirche, die hr. von Voltaire
bey dem Schlosse aufbauen lassen. Draussen in der Kirchmauer selbst
hat er sein Grab in Gestalt einer zugespitzte Säule mauren lassen,
es ist der Schloßthüre gerade gegen über, so daß
ers sieht, so oft er in die Thür heraus tritt. Die Kirche ist einfach,
aber schön; auf dem Altare steht ein kleines Crucifix, neben diesem
auch auf dem Altare das Bild des Erlösers von Bronz in
Lebensgrösse, das seine offene Seite zeiget, aber der Heilige oder
Schutzpatron des Kirchspiels ist in einen Winkel bey die Thür gestellt.
Auf dem Vordergiebel bey der grossen Kirchthüre steht: Deo erexit
Voltaire. MDCCLXI. Das Schloß Ferney, oder wie mans auch schreibt,
Fernex, wurde 1759 gebauet, und zwar so geschwind, daß es um Ostern
angefangen, und am Johannis fertig war; es liegt in der zu Frankreich
gehörigen Landschaft Gex. Vorher wohnte er auf Delices, dichte vor
den Stadthoren von Genf; allein da er hier Schauspiele aufführte,
welches gegen die Genfer Gesetze ist, und die Republik es ihm verhindern
wollte, verkaufte er Delices, das itzt Hr. Tronchin, ein Vetter von dem
Verfasser des Lettres de la Campgne, bewohnt. Nachher besahen
wir die neuen Gebäude, die Herr von Voltaire für die
Mißvergnügten in Genf aufbauen lassen; es sind viele
schöne und grose Häuser, zusammen ungefehr 40; an einem
von ihnen stand: Manufacture Royale de Montres à Ferney,
wo, wie man uns sagte, wol 100 Uhrmacher arbeiten. Man ist damit
beschäftiget, ein recht schönes Haus für des Herrn
Voltaire Handskretär Hrn. Vanniere zu bauen, der ein Schwizer
von Geburt ist; doch gehört noch etwas dazu, bis man es eine neue
Stadt nennen kan. Der Anfang ist indessen schön, und übertrift
das, was der König von Frankreich gleichfalls für die Genfer
Flüchthinge angelegt hat, welches Versoix heißt, bey einem
Dorfe gleiches Namens, ungefehr zwey Meilen von Genf im Lande Gex.
Sie sind vielleicht begierig zu wissen, wie Hr. von Voltaire aussieht.
Alle sagen, er ist häßlich. Aber ich sage, er ist etwas lang, sehr
schmal, mager und ziemlich bleich, grosse schwarze Augen, einen grossen
und ziemlich brieten Mund, eine grosse Nase, ein grosses Kinn, und was
wäre nicht groß an ihm? Er sieht satirisch aus; wenn er lacht, zieht er seinen breiten Mond zusammen, sieht alsdenn gut aus, und gleicht einem gewissen Geistlichen in Schweden, den ich nicht nenne darf, weil
diesem ehrwürdigen Manne nicht mehr damit gedient seyn mögte,
Hrn. von Voltaire, als diesem, einem Geistlichen zu gleichen. Er geht etwas
krum, thut aber lange Schritte. Er hat ein gutes Gesicht, braucht niemals
Brillen, ohngeachtet er gegenwärtig im 77sten Jahre ist, geboren
den 20sten Februar 1694. Ich verwunderte mich, daß er mit einer so
leichten Hand, so gut, und zwar ohne Brille schrieb. Er arbeitet und
schreibt beständig, oft ganze Nächte. Wenn er im Bette liegt,
und ihm etwas einfällt, so klingelt er dem Sekretär, in welcher
Stunde der Nacht es seyn mag, und er muß schreiben, was Hr. von
Voltaire ihm diktirt. Der Sekretär schläft oben in der Bibliothek,
und muß beständig zur Hand seyn. Seine meiste Beschäftigung
besteht im Reinschreiben. Hr. von Voltaire ist in Gesellschaft sehr angenehm,
&uum;beraus höflich, ein vollkommener Hofmann; aber fällt ihm
etwas ein, es sey bey Tische oder in Gesellschaft, so geht er gleich in seine
Kammer und schreibts; dann komt er ganz munter wieder. Zuweilen, wie
man mir gesagt hat, ist er nicht auf so guter Laune. Er spielt oft Schach,
besonders mit dem Exjesuiten, Vater Adam, der bey ihm ist, und die Aufsicht
über sein ganzes Gut und Vermögen hat. Hr. von Voltaire stellte
ihn einmal seinen Freunden vor, und sagte: Voila le pere Adm, mais ce
n'est pas le premier homme du monde. Herr von Voltaire hat, ausser
Ferney und dem darunter gehörigen Kirchspiel selbigen Namens,
noch ein anderes Schloß nicht weit von hier, das Tournay heißt;
also ist er Seigneur de Ferney et Tournay; unter das letztere gehören
ebenfalls einige Dörfer inden Kirchspielen Brigny und Chambaisy.
Von allen diesen Gütern zieht er jährlich etwa 10000 Livres
Einkünfte; ausserdem hat er noch Capitalen an Gelde; so daß
er in allem ungefähr 50000 Livres im Jahre Einkünft hat.
Alles wird seine Schwestertochter, Madame Denys, erben. Sie ist ein
artiges Frauenzimmer, von vielen Witz, Wittwe und etwas bey Jahren.
Wir begegneten ihr zugleich mit Hrn. d'Alembert auf unserer Rckreise:
sie wollte, wir sollten wieder umkehren, um von der guten Bewirthung,
die sie uns machen würde, Gebrauch zu machen; allein ich verbat
es, und versicherte, daß ich niemals so wohl empfangen wäre,
als durch die besonders gute Aufnahme von ihrem Oheim.
Nun auch eine paar Worte von Hrn. Voltaires neuesten Arbeiten. Einige
werde ich in meinem letzteren Briefe von Paris genannt haben, also
begnüge ich mich an zwey sonderbaren Schriften, die neulich
herausgekommen find. Die eine heißt Dieu; sie ist eine
Widerlegung des abscheulichen Buchs le Systeme de la Nature, das
nebst sechs andern in Paris verboten wurde; man laubt, Hr. Diderot habe
es geschrieben. Hr. von Voltaire hat in der genannten Schrift dieses
atheistische Lehrgebäude widerlegt, aber wie mich deucht, sagt er
hier nichts neues. Allein das andere ist besonders merkwürdig; es
hat den Titel: Histoire abrégée des Religions du Monde,
ou Analyse de l'Encyclopédie de Voltaire. à Geneve 1770.
2 Theile, der erste von 64, der andre von 76 Seiten in Oktav. Es ist
überaus gut, rührend und schön geschrieben. Er
fängt mit der natürlichen Religion an. Dann geht er zur
Abgötteren, und untersucht, ob jemals eine wirklich abgöttische
Religion vorhanden gewesen, welches er kaum zugeben will. Darauf
redet er von der jüdischen Religion. In dem andern Theile
schreibt er von der Wahrheit und Göttlichkeit der christlichen
Religion, und zwar auf eine Art, wie es wo niemand von Hrn. von Voltaire
vermuthet hätte. Er zeigt die Nothwendigkeit und Vollkommenheit
der christlichen Religion, wie weit sie alle andere Religionen hinter sich
zurück lasse, und dis in einer besonderes sinnreichen Kürze.
Er löset verschiedene Einwürfe u.s.w. Sie müssen dis
Buch bey uns einschaffen. Lesen Sie es bald, und urtheilen Sie, ob ich
Recht habe. Oben drein findet man einen Abriß von der ganzen
muselmännischen Geschichte, auch das Leben, die Eroberungen
der vornehmsten Califen, u.s.w. Doch ich muß den geringen Rest
von meinem Papiere anwenden, von einer Schaumünze zu reden,
die man voriges Jahr auf herrn von Voltaire geschlagen hat; sie ist sehr
rar, indem kaum mehr als 8 Stück devon vorhanden sind. Sie hat
auf einer Seite hrn. von Voltaires Brustbild, das ihm ziemlich gleichet,
umher steht: Il ôte aux nations le bandeau de l'erreur,
ein Vers aus der Henriade. Auf der andern Seite ist ein Altar, worauf
die Sinnbilder des Heldengedichts, der Schauspiele u.s.w., wie Trompeten,
Helm, Schwert, musikalische Instrumente, Masken, u. dgl., liegen; auf
dem Altare die Inschrift: Sereniss. Principi. Car. Theod. Electori
Palatino offerebat G.C. Wechter Jun. MDCCLXIX darunter steht:
Voltaire né le XX. Fevr. MDCXCIV. Allein der erwehnte
Vers mißfiel den Geistlichen sowol, als dem Churfürsten,
der auch seinen Namen nicht drauf haben wollte; aus dieser Ursache
wurden so wenige mit dieser Inschrift geschlagen. In diesem Jahre
hat man einen andern Abdruck gemacht, der Hrn. von Voltaire sehr
gleicht; aber jener Ver sowol als die Inschrift ist ausgelassen: anstatt
des erstern ist nur ein Kranz, und auf den Altar hat man statt des letztern
gesetzt: Tiré d'apres nature au chateau de Ferney. G.C. Wechter.
Gravé MDCCLXX. Ich sahe beide Schaumünzen bey hrn.
Rieu in Genf, der auch die vollständigste Sammlung von dem hat,
was hr. von Voltaire kleines und grosses geschrieben hat. Der Verfasser
hat selbst nicht alles. Bey ihm sah ich auch Hrn. v. Voltaires geschriebene
Anmerkungen in Hrn. Rousseaus Büchern, insbersondere zu des
letzterwehnten Antwort an den Erzbischof von Paris, Hrn. Beaumont,
und dem Contrat Social. Hr. von Voltaire hat an den Rand
geschrieben, und überall das schärfste Salz aufgestreuet.
Ich will nicht von einer seiner Schriften reden, die ganz gegen
Rousseau ist, denn sie ist von Grobheiten voll. Sie ist als Anmerkungen
zu Hrn. Voltaires Briefe an Hrn. Hume geschrieben, unter dem Anstriche,
als wenn Voltaires Fehler in dem gedachten Briefe überall scharf
beurtheilt werden sollten; gleichwol ist Voltaire selbt er Verfasser, um
desto beissender sind auch die Anmerkungen. Aber genug für
dismal von Voltaire.
6. Brief Ferney, den 1sten October 1773.
Das Schloß ist sehr wohl möblirt; es sind Gemälde
von grossen Meistern da, eine venus von Paolo Veronese, der unter
dieser Gestalt seine eigne Geliebte gamahlt hat, eine Flora von Guido
Rheni; diese beiden Tafeln wurden vom verstorbenen Herzoge von
Orleans gekauft, der an nackten Bildern Geschmack fand. Auch find
zwey Tafeln von Albani hier, eine stellt den Putztisch der Venus, die
andre die eingeschlafenen Liebesgötter vor. Ausserdem viele
Bildnisse: in Frau Denys Zimmer ist der regierenden Kayserinn von
Rußland Catharinas Bildniß in einem grossen Medaillon in
Seide gewirkt, es soll sehr gleich seyn, auch steht eingewebt: fait par
de la Salle; ganz unten: pré:senté à Mr. de
Voltaire par l'Auteur; er ist von Lion. Hier ist auch Voltaires
Bildsäule selbst in Marmor, dergleichen fast in allen Zimmern
auf dem Schlosse sind, groß oder klein; so auch Bildnisse von ihm
in Gips; nächstdem Gemälde von seiner Familie; auch der Frau
von Pompadour Bildniß, von ihr selbst gemahlt und dem Hrn. v.
Voltaire geschenkt. Im Saale, wo er Fremde empfängt, ist das
Bildniß der Marquisinn du Chatelet, die so gelehrt war, und in der
Physik schrieb; man sagt, Hr. v. Voltaire sey ihr Liebhaber gewesen,
und ihr Sohn der Generallieutenant, Marquis du Chatelet, der sich
in Paris aufhält, gehöre Hrn von Voltaire so viel zu, als
ihr; gewiß ists, daß sie vertraute Freunde sind. Im selbigem
Saale sind schöne Kupferstiche, von Newton, Locke, u.a.
Der Garte ist sehr schön und groß: er faßt mit dem
Park einen grossen Platz ein, dieser hat eine ansehnliche Waldung von
Eichen, Linden und Espen, die man auf 300,000 französische Livres
schätzt. Vom Garten gehn schöne und lange Alleen nach
dem Park hinunter; die Aussichten sind hier sehr schön, hier sind
Lauben und immergrüne Hekken, dort ein grüner Rasen von
Lauben umgeben, mit vier Eingängen oder Oeffnungen, in der
Mitte eine grosse, alte, und dickbelaubte Linde, die mit ihren Zweigen die
Laube deckt; man nennt dis des Hrn. v. Voltaire Kabinet, es ist seine
Freystatt, wo er arbeitet und niemand zu ihm kommen darf; wenn er
sich wohl befindet, geht er allzeit hieher, setzt sich auf eine Bank, und
schöpft hier seine dichterischen Erfindungen. Nahe dabey ist ein
Haus für Seidenwürmer, die er zu seinem Zeitvertreibe
ausbrüten läßt; er hat seidene Strümpfe davon
gehabt, um sagen zu können, er habe von seines Guts eigenen
Produkten getragen. Hier ist auch ein Gewitterableiter mit seiner Kette,
die in einen Brunnen hinuntergeht, der ehemals dem Dorf gehörte,
und schönes Wasser hatte, itzt aber ist er fast vertrocknet, und was
noch zurückgeblieben, ist trübe, unrein und stinkend, die
Zweige an den daneben stehenden Bäumen haben auch abgebauet;
man schreibt dis alles dem Ableiter zu, ohngeachtet es nur 2 Jahre sind,
daß ihn Hr. de Saussure hingesetzt hat. Frau Denys wollte ihn nicht
zu nahe am Schlosse haben, darum setzte man ihn abseits in den Garten.
Nahe bey der Wohnung der Seidenwürmer ist ein Acker, den man le
Champ de Mr. de Voltaire nennt, den er, wie der Kayser von China, mit
eignen Händen bauet; er hat dis beständig bis auf voriges Jahr
mit eingeschlossen gethan, dis Jahr aber hat er Krankheit halber seine
Arbeit nicht verrichten können, doch hat ers düngen lassen;
er hat diesen wohlbearbeiteten Boden so stark gedünget, daß
die Maizenähren so voll und schwer gewesen, daß sie sich nicht
halten können, sondern sich an die Erde gelegt haben. Ausserdem
sind hier schöne Irrgärten, ein grosser Teich oder
Wasserbehälter, Erdabsätze mit Blumen, Weinberge mit
vortreflichen Trauben, Küchen- und Fruchtgarten, deren Mauren
überall mit Birnen und Pfirschen bedeckt sind; das Ganze macht
eine reizende Lage, man sieht den mit Eis bedeckten Montblanc, eine
Aussicht, die zugleich mit den Blumen auf beiden Seiten und deren Geruch
einen vortreflichen, und gewiß selten in andern Ländern
anzutreffenden Abstich macht.
Neben dem Schlosse selbst ist ein Badehaus, das Hr. vo. Voltaire bauen
lasse, seitdem wir hier gewesen, es ist ein kleines Haus von Marmor wit
verzinntem Bleche gedeckt; es hat eine marmorne Wanne, wohinein
warmes und kaltes Wasser durch zwey bleyerne Röhren läuft;
das Wasser wird sehr bequem im Kessel in einem Winkel ausser desm
Badezimer gewärmt. Hr. v. Voltaire has es in den beiden letzten
Jahren gebraucht, aber gemerkt, daß ihn das Bad schwächte,
und es deswegen unterlassen. Es ist gewiß, daß Voltaire im
verwichenen Februar sehr krank gewesen. Beine, Hüften, Arme,
ja selbst die Hände waren ihm geschwollen, und man hat einen
Anfall von Wassersucht befürchtet, itzt aber befindet er sich ziemlich
wohl Neben diesem Badehause ist ein längliches hölzernes
Gitter, und darin ein Reh, das Hr. v. Voltaire nur seit 6 Monaten hat: er
belustigt sich viel damit, es ist auch so schön und artig, als eine
arabische Gazelle. Nehmen Sie mirs nicht übel, daß ich in
Beschreibung sowol der zwey- als vierfüßigen Kostgänger
des Hrn. v. Voltaire so genau bin; alles ist wichtig, was einen so
merkwürdigen Philosophen angeht und umgiebt: denn ich
wende auf Voltaire seinen eignen Ausdruck an, den er von andern
braucht: Grosse Geister, sagt er, einen Newton, einen Fontenelle, u.s.w.
zu schaffen, dazu gehören Jahrhunderte, aber einen Freron,
einen Nonotte, einen la Beaumelle, einene Patouillet, einen Moralisten,
einen Casuisten und mehr solche zu machen, dazu gehört nicht mehr
Zeit, als man braucht, ein frisches Ey zu kochen. Voltaire ist ein
ausserordentlicher Mann, hat beides Gutes und Böses gestifftet;
wäre sein Herz so gut, wie sein Verstand, so wäre er ohnstreitig
besser, nützlicher und grösser geworden. Ein Frauenzimmer
antwortete ihm artig, als er sie mon coeur nannte: ich wünschte
lieber, sagte sie, daß Sie mon esprit sagten.
(page 110)
Haben Sie einem Kupferstich le Lever du Philosophe de Ferney
gesehen? er ist von hr. Hubert, von dem ich vorhin geschrieben, Voltaire
sieht sich sehr gleich darin, er ist in der Stellung, wie er die Hosen
anzieht. Herrn Hubert vermißte ich dismal gar sehr, itzt ist er in
Paris, ich hoffte mehr in Karten geschnittene Voltaire von ihm zu bekommen;
der, den er vorigesmal schnitt, und ich vom Prinzen von Meklenburg
geschenkt bekam, ist nun so abgenutzt, einige tausend Menschen in
Italien, sowol an Höfen, als in Hütten, haben ihn gesehen
und begriffen; schade ists, daß ich nicht mehere neue bekommen
kann, sonst schickte ich Ihnen einen mit der Post.
9. Brief. Paris 14. Septemb. 1770
Monsieur de Voltaire verra l'article de Votre lettre, qui concerne M.
Bieurnstol, et il ne dépendra pas de mes soins, qu'il ne le reçoive.
Mais je ne peux rien que la façon dont il prendra ma proposition. Il
devient tous les jours d'un accès plus difficile. Ses ouvrages et sa nouvelle
Ville lui prennent un tems fort considérable, au point, que depuis 8
jours, quoique j'eusse à lui parler, je n'ai pû le voir qu'en
courant, et qu'il a fallu des circonstances heureuses pour l'engager à
jetter les yeux sur l'ouvrage et lui arracher la réponse. Imaginés
Vous, qu'il a retranché le diner, de sorte que lorsque je vais chez lui, il
faut souvent m'en revenir à jeun, ou y coucher, et alors on ne soupe
qu'à dix heures. On prépare un 3me Volume des Choses utiles et
agréables; l'on a mis sous presse le 3me Volume des supplémens
à l'Encyclopédie. Dites à Votre cher Suédois de
s'adresser à mon ami Gabard, Chargé des affaires du Roi, je l'ai
prévenu, il m'avisera de son arrivée, et en attendant, il le
présentera au Résident. S'il voulait se charger d'une traduction
des Géorgiques de Monsieur de Lille, que je meurs d'envie de voir, je
Vous prierois de la lui remettre.
Sie sehen hieraus, wie er lebt, und was er itzt unter Händen hat.
La nouvelle Ville bedürfte vielleicht eine
Anmerkung. Herr von Voltaire hat bey seinem Schlosse verschiedene
Häuser für mißvergnügten von Genf auswandernde
Handwerker, Uhrmacher, u. a., aufbauen lassen, die daselbst verschiedene
Sachen verarbeiten und verfertigen, welchen Hr. von Voltaire durch
Vermittelung des französischen Residenten in Paris und sonst guten
Abgang verschaffet, und zwar zu weit bessern Preise, als die von Geneve
kommenden, die ausserdem für verbotene Waare angesehen werden;
diese Unterthanen des Hrn. von Voltaire bezahlen nichts für irgend
einige bürgerliche Nahrung weder Schatz noch Abgaben, und
können folglich ihre verarbeiteten Waaren zu viel bessern Preise
verkaufen, zum grossen Schaden für Genf, das dadurch Arbeit und
Absatz verliert. Weitern Unterricht hievon werde ich die Ehre haben, Ihnen
zu geben, wenn ich so nahe komme, daß ich diese sogenannte Stadt sehe,
und auf der Stelle selbst Licht bekomme; denn ich hoffe wenigstens den Ort
sehen zu können, sollte ich auch den Besitzer nicht sehen, es
müßte denn dort, wie in China, dem christlichen Namen verboten
seyn, sich in der Stadt selbst aufzuhalten. Doch haben wir itzt gute
Hofnung, von Hrn von Voltaire selbst wohl aufgenommen zu werden, seit dem
Hr. d'Alembert so gütig gewesen, mir einen guten Empfehlungsbrief an ihn
zu geben, worin er so ausdrücklich bittet, daß man ihn zu sehen
bekommen mögte. Er sagt unter andern:
Ce billet Vous sera remis, mon cher et
illustre confrere, par deux honnêtes étrangers M. de Rudbeck
et M. Björnstahl, qui mourant d'envie de Vous voir, m'ont demandé
avec instance de leur en procurer le moyen. Ils ne Vous demandent qu'un
instant, si Vos occupations ne Vous permettent pas de leur en donner
d'avantage, et ils veulent pouvoir dire: nous l'avons vû. J'espere que
par amitié pour moi, et par egard pour eux Vous vouliés bien
les recevoir. Je Vous embrasse de tout mon coeur.
Es trift sich auch
vielleicht so glücklich, wenn wir hinkommen, daß wir Hrn.
d'Alembert bey Hrn. von Voltaire finden. Die Aerzte haben Hrn.
d'Alembert gerathen, um seiner schwachen Gesundheit willen,
eine Reise nach Italien zu thun, da er dis Jahr sehr krank gewesen
ist, und seine Geisteskräfte sich ansehnlich vermindert haben,
so daß er nach der Krankheit nicht, wie vorher, arbeiten kann,
und nicht im Stande ist, seine Gedanken zusammen zu halten.
Ich sagte ihm einmal, es käme daher, weil er vorher zuviel
gearbeitet, und damit seine Nerven geschwächt hätte. Allein
er antwortete mir, es sind unzählich viel andere, die mehr gearbeitet
haben, als ich. Er denkt in diesen Tagen seine Reise nach Italien anzutreten,
wo ich abermals mit ihm umzugehen hoffe, wie er mir gütigst
angeboten hat. Er nimt seine Weg über Lyon, Genf, Turin, u.s.w.
11. Brief. Genf, den 10ten October 1770.
Besuch bey Hrn von Voltaire auf Ferney. Beschreibung von Ferney.
Schilderung des Hrn. von Voltaire. Seine neuste Arbeiten.
Schaumünze auf ihn.
Meinem Bersprechen gemäß erfolgen nun Neuigkeiten von
dem alten und betagten Hrn. von Voltaire. Ich kam den 1sten dieses nach
Genf. Nachdem ich den 2ten die Stadt und Bibliothek besehen hatt, war
für mich nichts wichtiger, als diesen berühmten Mann zu
sehen. Ich reisete also den 3ten nach Ferney, etwas über eine Meile
von Genf, in der Hoffnung, dort zugleich Hrn. d'Alembert anzutreffen,
der itzt bey Hrn. von Voltaire war; allein zu allem Unglücke war er
bey meiner Ankunft mit Madame Denys, Hrn. v. Voltaires Schwestertochter,
ausgefahren. Gleichwol ging ich in das Schloß, und ließ mich bey
Hrn. von Voltaire melden. Er ließ mir sagen, er wäre krank, und
ließ mir Erfrischungen in der Hitze, insbesondere Sirop de Capillaire
anbieten, der hier sehr gebräuchlich ist. Ich antwortete, alle
Süßigkeiten würden mir sehr herbe seyn, wenn ich
nicht die Ehre hätte, Hrn. von Voltaire zu sehen, dessen Anblick
mir angenehmer als die besten Gerichte seyn würden: dis bat ich
den Bedienten dem Hrn. von Voltaire zu sagen. Er nahm diese Freyheit wohl
auf, und schickte mir seinen Sekretär, Herrn Vanniere, um mir
Gesellschaft zu leisten, diesem übergab ich Hrn. d'Alemberts Brief,
den er in die Hände des Hrn. Voltaire lieferte. Endlich kam Hr. von
Voltaire in den Saal, wo wir waren, und bat um Entschuldigung, daß
er mich so lange warten lassen, sagte, daß er das Fieber hätte,
u.s.w. Ich bat ihn gleichfalls um Vergebung, daß ich so dreist gewesen,
ihn zu beschweren; mein begieriges Verlangen, die Ehre zu haben, ihn,
der einen so hohen Rang in dem Reiche des Gelehrten einnehme, zu sehen,
wäre so groß gewesen, u. dgl. Er beantwortete meine Höflichkeiten
mit Gegenhöflichkeiten, und fragte mich, nachdem wir ein wenig
zusammen gewesen waren, ob ich mit ihm in seinem Garten spatzieren
gehen wollte. Unterm Spatzieren redeten wir von allerhand, von König
Carl XII, von Czar Peter, vom rußischen Kriege, von Ihro Majestät
der Königin von Schweden, er sagte: Elle m'honore de sa protection,
u. dgl. Ich machte die Anwendung davon auf den Anspruch, den reisende
Schweden machen könnten, Hrn. von Voltaire zu sehen; wie wenige
derer wären, die diesen Vortheil gehabt hätten, und wie sehr ich
es Hrn. d'Alembert zu danken hätte, der mir den Vortheil verschaft,
einen so grossen Mann zu sehen. Herr von Voltaire sagte: Herr d'Alembert
ist ein grosser Mann, aber ich bin nicht mehr als ein Schatten; Hr. Rudbeck,
der allzeit in meiner Gesellschaft war, antwortete hierauf: ce n'apartient,
qu'aux grands hommes, d'aprécier leurs semblables, Herr von
Voltaire sagte ihm hierüber viel höfliches, in solchen mich
so genau angehenden Ausdrücken, daß ichs hier übergehen
muß. Hr. Rudbeck sagte einige Verse aus der Henriade her: dis
gefiel Hernn von Voltaire unglaublich wohl, er sagte zuletzt: Vous
serés une ressource pour Votre patrie. Ich antwortete, es sey
Apollos Gabe zu weissagen, und wünschte, daß er auch dismal
mögte wahr geweissagt haben. Ich rühmte den guten Geschmack,
der in seinem Garten und Schlosse herrschte; er sagte; c'est ma petite
retraite. Ich sagte, es käme uns sonderbar vor, den Schnee auf
den Alpen zu sehen, und zwischen Blumenbeeten zu spatzieren: ja, sagte
er, wenn wir hier Trauben lesen, sehen wir einen ewigen Schnee, der so
nahe er uns auch scheint, doch mehr als 20 Meilen von uns entfernt ist. Er
freuete sich unglaublich über die Siege der Russen; die Kaiserin von
Rußland schreibt ihm mit eigner Hand lange Briefe auf, und das recht
oft, fast jede Woche. Er hatte noch neulich einen sehr gnädigen Brief
von ihr bekommen, worin sie sagt, daß sie kein Vergnügen am
Kriege findet, doch will sie, da sie einmal angegriffen ist, das Kriegesglück
so weit treiben, als sie kann, u.s.w. Es wird ihr ein Vergnügen seyn, wenn
ihre Regierung so beschaffen ist, daß sie Philosophen, besonders einem
so grossen, wie Hr. v. Voltaire, gefallen kann, u. dgl. Wir redeten langen
zusammen von verschiedenen Materien. Er, der vorher Fieber haben wollte,
vergaß sich itzt so, daß er zwey bis drey Stunden mit uns im Garten
spatzieren ging. Als es gegen Abend kühl zu werden anfing, bat ich
ihn, seiner Gesundheit zu schonen, und herein zu gehen. Er zeigte uns
hernach seine Zimmer, seine Studierstube und Büchersammlung, die
aus 6 bis 7000 Bänden besteht; man findet Bücher, die man kaum
darin vermuthen sollte, insbesondre hätte man sie in der Theologie
und Geschichte für vollständig. Herr von Voltaire bewies mir
die seltene Ehre, sich in mein Stammbuch zu Schreiben, und zwar auf
dieselbe Seite, wo Herr d'Alembert sich eingezeichnet hatte. Als ich
Abschied nahm, versicherte ich ihn, daß ich diesen unvergleichen
Tag niemals vergessen würde; doch käme es auf ihn selbst
an, ob er seines gleichen haben sollte, wenn er uns erlaubte, bey
unserer Rückreise aus Italien, ihm noch einmal aufzuwarten.
Er sagte: Très volontiers; mais je ne serai plus.
Volume III
Besuch bey herrn von Voltaire.
Umständliche Nachrichten von seiner Lebensart, von seinen
Hausgenossen und Freunden, Frau Denys, Herr Adam und Herr du Rey.
Merkwürdigkeiten auf Ferney. Verschiedene Anekdoten und
witzige Einfälle von Voltaire. Ueber dessen moralischen Charaktere.
(pages 93-97)
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